Editorial fbr-wasserspiegel 1/18 von Erwin Nolde Die alte, rein zentral ausgerichtete Wasserver- und Abwasserentsorgung hat es schwer!
Teile der Industrie produzieren immer neue Produkte, die es den Wasserver- und Abwasserentsorgern schwermachen. Nitrate, Pestizide, Medikamentenrückstände - auch nicht das Sulfat aus dem Braunkohleabbau oder andere Umweltchemikalien dürfen unser Trinkwasser belasten.
Fette und Feuchtetücher (die kein Mensch braucht) verstopfen die Kanäle - die bereits ohne diese Hindernisse bei Starkregenereignissen hoffnungslos überlastet sind. Kanalerweiterungen und Stauräume sind nicht mehr allein über Gebühren zu finanzieren. Einmal dimensioniert, lassen sie auf mehr als 50 Jahre kein verändertes Nutzerverhalten zu und sind damit per se nicht zukunftsfähig.

Um die Klimaziele zu erreichen, muss auch der Stromverbrauch in der Wasserbranche drastisch gesenkt werden. Gleichzeitig wird die dringend notwendige vierte Reinigungsstufe den Energiebedarf der Abwasserbehandlung nochmals verdoppeln. Die Verantwortlichkeiten der Wasserver- und Abwasserentsorgung enden an der Grundstücksgrenze. Sie selbst beklagen die eigene Personalentwicklung. Stellenabbau und ein Durchschnittsalter von deutlich über 50 Jahren erschwerten die Suche nach Alternativen zu den rein zentral ausgerichteten End-of Pipe Lösungen. Die tatsächlichen Probleme sind deutlich umfangreicher.
Aber gerade das hohe Durchschnittsalter stimmt mich hoffnungsvoll.
Was zaghaft mit der Regenwasserbewirtschaftung begann (die heute gute Produkte anbietet), wird bald dazu führen, dass sich die Leitsätze des Kreislaufwirtschaftsgesetzes auf die gesamte Wasserwirtschaft übertragen werden. Vermeiden, vor Vermindern und Recyceln, um so wenig Abwasser wie möglich zu beseitigen. Die Zeiten der Abwasserbeseitigungspläne mögen hoffentlich bald vorbei sein.
Ab dem 01.03.2018 wird u. a. die Installation von Wärmerückgewinnungseinheiten aus Grauwasser mit bis zu 30% von der BAFA gefördert, um den CO2 Ausstoß zu senken. Gefördert wird auch das zweite Leitungsnetz zur getrennten Erfassung. Grauwasserrecycling im Verbund mit Wärmerückgewinnung führt zu energiepositiven Anlagen, die schon im Ansatz 5- bis 10-mal mehr Wärmeenergie ernten als insgesamt an Strom für die Abwasserreinigung, Verteilung des Betriebswassers und für die Wärmerückgewinnung benötigt wird. Die Förderung ist zugleich eine Chance um Neue Sanitärsysteme (NASS) zu etablieren.
Aus nunmehr fast 30-jähriger Berufserfahrung kann ich Max Planck uneingeschränkt zustimmen „Eine neue wissenschaftliche Wahrheit setzt sich nie in der Weise durch, dass ihre Gegner überzeugt werden und sich als belehrt erklären. Vielmehr wird die heranwachsende Generation von vornherein mit den neuen Ansichten vertraut gemacht und die Gegner sterben allmählich aus.“
Die neue Generation der Hochschulabsolventen schaut verständnislos auf Meldungen des bdew, die innovative Projekte als Rückfall in das Mittelalter kommentieren, auf Versorger, die zu einem höheren Wasserverbrauch aufrufen oder die Grundgebühren so verändern wollen, das ökologische Systeme sich nicht mehr rechnen sollen. Gefragt sind stattdessen aussagekräftige Umweltbilanzierungen und eine Demokratisierung der zumeist wenig transparenten kommunalen Betriebe.